Hallo Bücherfreund*innen und Teeliebhaber*innen,

mit Ich bin Gideon, dem ersten Band der Ninth-Reihe von Tamsyn Muir, habe ich nach einiger Zeit mal wieder einen Science-Fiction Roman gelesen. Wobei, so sicher bin ich mir da gar nicht, denn obwohl die ein oder andere Fahrt mit einem Weltraum-Shuttle enthalten ist, zählt Nekromantie dann doch eher zu den Fantasy-Elementen, oder nicht? So oder so, die Prämisse dieser spannenden Geschichte um langschwertschwingende Kriegerinnen und mächtige Knochenmagierinnen klingt einfach gut.


Klappentext:

Gideon Nav reicht es. Sie hat genug von dem düsteren Planeten voller verknöcherter Nonnen, starrer Regeln und schwarzer Klamotten, auf dem sie aufgewachsen ist. Genug von einem Leben als Dienerin des Neunten Hauses. Vor allem aber hat sie genug von Harrowhark Nonagesimus, der Erbin eben jenes Hauses, die Gideon mit ihrer herrischen Art das Leben schwer macht. Also packt Gideon ihr Schwert und ihre Pornohefte ein, um endlich von diesem gottverlassenen Planeten zu verschwinden. Doch sie wird erwischt. Die Strafe für ihren Fluchtversuch ist unangenehm: Sie soll Harrowhark als Schwertmeisterin an den kaiserlichen Hof begleiten, wo diese, gemeinsam mit den Erben der anderen royalen Häuser, an einem Wettkampf auf Leben und Tod teilnimmt. Wenn sie den Untergang des Neunten Hauses und ihres Planeten verhindern wollen, müssen die beiden wohl oder übel zusammenarbeiten. Und das, obwohl sie einander auf den Tod nicht ausstehen können – oder? (Quelle: penguin.de)


Meine Meinung:

Die Welt von Ich bin Gideon ist nicht nur oberflächlich ansprechend, sondern funktioniert auch in der Umsetzung gut. Die Nekromant*innen und ihre Kavalier*innen tragen nicht nur beeindruckende Namen wie Harrowhark Nonagesimus oder Protesilaus Ebdoma (keine Sorge, ein Personenverzeichnis fehlt natürlich nicht), sondern bilden mit ihren Titeln einen Kern der Geschichte. Die neun Häuser und ihre Geschichte, die meist nur angedeutet wird, wecken Interesse und eine Ahnung von den Lesenden unbekanntem Wissen. Schade nur, dass wir von diesem Wissen wenig erhalten. Es dauert lange, bis man mehr über die Hintergründe der Bräuche und Geschehnisse erfährt. Selbst jetzt könnte ich nicht erklären, warum es überhaupt verschiedene Häuser gibt.
Natürlich hat der Verzicht auf langwierige Erläuterungen Vorteile. Der Einstieg in die Story gelingt schnell, es gibt kein unnatürliches Herunterrattern von Fakten. Trotzdem fällt es mir schwer, mit den Ereignissen mitzufiebern, wenn unklar ist, was auf dem Spiel steht. Ich muss gewisse Erwartungen haben, damit mich plötzliche Wendungen wirklich vom Hocker reißen können. Allerdings hatte ich meist das Gefühl, einfach mitzutreiben, und das steht der Spannung natürlich im Weg.

Trotzdem bleibt die Handlung fast durchgehend interessant, immerhin steht sie im Fokus des Buches. Besonders an Erkundungstouren durch alte, verlassene Gebäude und Kampfszenen – ob nun in Form sich duellierender Wettkämpfer*innen oder als Schlacht mit gigantischen Knochenmonstern – mangelt es nicht. Meinem Geschmack entspricht das definitiv. Zugleich kommt sogar noch Einiges an Atmosphäre rüber. Es liegt etwas Bedrohliches in der Luft, ein neuer Gegner lauert immer irgendwo. Auch kreiert Tamsyn Muir gekonnt Bilder im Kopf, wofür in erster Linie ihr besonderer Schreibstil verantwortlich ist.

Einerseits sind da die bissigen Dialoge und inneren Monologe. Gefahr und (Galgen-)Humor ergänzen sich perfekt, und machen eine ziemlich bedrückende Geschichte durchweg unterhaltsam. Andererseits wartet Ich bin Gideon mit einer präzisen, zum Teil ungewohnten, aber absolut passenden Wortwahl auf, die Anschaulichkeit erzeugt. Beschreibungen passieren oft nur nebenbei, was davor bewahrt, dass sperrige Ausschweifungen den Lesefluss stören. Sie schaffen Farben und Gerüche – sei es nun von Blut (davon gibt es nämlich recht viel) oder den Erscheinungen der Figuren.

Gideon war nicht aufgefallen, dass die kettenhemdgerüstete, weiß getünchte Gestalt von Silas Octakiseron den Raum zuvor verlassen hatte, aber jetzt sah sie, dass er zurückkehrte. Er trat aus der Küche in den Speisesaal, bleich und ungerührt, sein messerscharf geschnittenes Gesicht so mitleidslos wie immer, bar jeder normalen menschlichen Empfindung.

~ S. 353, Ich bin Gideon von Tamsyn Muir, aus dem Amerikanischen von Kristen Borchardt

Die Charaktere sind so eigentümlich wie anziehend, spannend und faszinierend. Die Autorin bekommt an die zwanzig Personen, die konstant wichtig für die Handlung sind, unter einen Hut, und entgeht einer Verwechslungsgefahr eben durch solch einprägsame Schilderungen von Äußerlichkeiten, die natürlich auch viel über Inneres verraten können – oder bewusst nicht. Gemeinsam mit Gideon versuchen die Leser*innen, die Fremden einzuschätzen. Das kann zwar auch dazu führen, dass wir zwei von ihnen nur als „die grässlichen Teenager“ kennenlernen, aber nun gut. Auch das hat Wiedererkennungswert. Sie alle strahlen jedenfalls Macht und Entschlossenheit, Eigensinn und Mysterien aus.
Da das absolut genial klingt, hätte ich mir dann doch mehr Aufmerksamkeit für das Personal der Geschichte gewünscht. Das bezieht sich sowohl auf die einzelnen Figuren als auch auf die Beziehungen untereinander. Zwar spielt sich immer unterschwellig etwas ab, und das irgendwann plötzlich ans Licht kommen zu sehen, ist schön. Trotzdem fand ich die Sym- und Antipathien, geheimen Gefühle und Eigenschaften dieser Truppe oft spannender als die Handlung selbst, und hätte mir mehr Ausarbeitung gewünscht.

Mein Fazit:

Mit Ich bin Gideon hatte ich eine verwirrende und grausige, ehrliche und witzige Zeit. Es ist eine Mischung, die Spaß macht und manchmal wehtut, wenn es für die geliebten Charaktere nicht so ausgeht, wie man es sich gewünscht hat. Etwas Potential bezüglich des Weltenbaus und der Figuren wurde in meinen Augen verschenkt, aber das kann ja noch werden. Also auf zu Band zwei!


Informationen zum Buch:

Zum Buch

Titel: Ich bin Gideon

Originaltitel: Gideon the Ninth

Autor*in: Tamsyn Muir

Übersetzung: Kirsten Borchardt

Verlag: Heyne

Erscheinungstermin: 13.04.2020

ISBN: 978-3-453-42373-2

Preis: 14,99 € (Paperback), 11,99 € (eBook)


Disclaimer:

Die Rechte am abgebildeten Buchcover liegen beim Verlag.