Hallo Bücherfreund*innen und Teeliebhaber*innen,
eine Geschichte von geheimnisvollen Prophezeiungen, reichen Schnöseln auf einer gefährlichen Suche, dunklen Gestalten mit mysteriösen Motiven und einer Familie, die durch mehr zusammengehalten wird als ein paar Gene – klingt das gut? Für mich zumindest tut es das. Und dass ich seit Beenden des ersten Bands der Raven Boys-Reihe überdurchschnittlich oft daran denke, wie sehr ich unbedingt weiterlesen möchte, sagt vermutlich schon einiges darüber aus, was aus meinen Erwartungen an Wen der Rabe ruft geworden ist.
Worum geht es?
Blue ist Teil einer Familie von Wahrsagerinnen – und doch besitzt sie selbst keine solche Kräfte, ist nur dazu in der Lage, die anderer zu verstärken. Als sich ihr bei der jährlichen Prozession der Geister, die in den kommenden zwölf Monaten sterben werden, jedoch der Geist eines Jungen, eines Ravenboys, zeigt, ist klar – Blue wird entweder diejenige sein, die für seinen Tod verantwortlich ist oder seine große Liebe.
Gansey ist ein Ravenboy, ein Schüler an der Aglionby Privatschule, und dank dem Vermögen seines Vaters steinreich. Hinter seiner charismatisch-selbstsicheren Fassade steckt allerdings weit mehr. Gansey und seine Freunde, die Ravenboys Adam, Ronan und Noah, von denen jeder seine ganz eigene Geschichte hat, haben ein Ziel. Sie sind auf einer Suche, die weit über das „Natürliche“ hinausgeht.
Meine Meinung:
Allein durch das Cover, das in seinem minimalistischen und doch magisch-mysteriösen Stil mein Interesse geweckt hat, hat mich Wen der Rabe ruft schon länger fasziniert. Da ich außerdem Hexengeschichten immer spannend finde und die Thematik bezüglich der Wahrsagerei zumindest in dieselbe Richtung geht, habe ich mich sehr auf den ersten Band der Raven Boys-Reihe gefreut.
Trotzdem muss ich sagen, dass ich zu Beginn etwas gelangweilt war. Dabei ist es weniger die Handlung, die mich nicht genug gepackt hätte, sondern die Tatsache, dass die Charaktere, die in meinen Augen meist das Zentrum einer Geschichte bilden, zunächst weder sympathisch und nahbar noch sonderlich interessant wirken. Zwar ist schnell klar, dass hinter ihnen allen noch mehr steckt, als auf den ersten Blick klar wird, es dauert aber recht lange, bis das dann nach und nach zum Vorschein kommt.
Mit der Zeit und besonders ab der Hälfte des Buches wird es dann allerdings. Obwohl ich auch jetzt von keiner der Figuren sagen kann, ich könne mich mit ihr identifizieren, so passen sie dennoch perfekt in die Geschichte. Gansey kann zwar wirklich nervtötend sein und Ronan ist wahrlich nicht der Sonnenschein in Person. Trotzdem gewinnt man sie alle beim Lesen auf eine gewisse Weise lieb und spürt die Dynamik der Raven Boys (und später auch Blue) untereinander. So ergibt sich trotz diverser Konflikte und Fehler, die die Charaktere machen, ein gewisses Gefühl der Geborgenheit. Denn vor allem bei Gansey, Adam, Ronan und Noah merkt man, dass die vier füreinander eine „gefundene Familie“ (found family, man sollte sowas wirklich nicht ins Deutsche übertragen) sind.
Wovon ich allerdings noch immer enttäuscht bin – zumindest ein wenig – ist Blues Rolle. Sie ist an sich ganz nett, aber eben nicht mehr. Sie ist da, aber das Ganze ist dennoch nicht ihre Geschichte, wie ich erwartet beziehungsweise gehofft hatte. Stattdessen spielt sie die meiste Zeit über eine Nebenrolle in der Story der Ravenboys. Nicht dass die nicht interessant gewesen wäre, Blues Charakter wirkt dadurch allerdings ziemlich blass und unscheinbar, was mich enttäuscht hat. Hoffen wir mal, dass sich das in den Folgebänden noch ändert.
Die Handlung ist – zumindest, wenn man sich nach gewissen Startschwierigkeiten in der Geschichte zurechtfindet – einnehmend und unterhaltsam. Ich würde dem Buch zwar nicht unbedingt einen Suchtfaktor zuschreiben, da ich selten das Gefühl hatte, richtiggehend an die Seiten gefesselt zu sein, Lust auf mehr macht das Ganze aber auf jeden Fall. So bin ich definitiv gespannt auf Band zwei, was auch mit dem Mini-Cliffhanger am Ende dieses Buches zu tun haben könnte.
Der Plot ist gut ausgearbeitet, sodass das Lesen allein dadurch interessant wird, dass durchweg klar ist, dass es praktisch überall Geheimnisse gibt. Jede*r verbirgt irgendetwas, immer wieder diese Andeutungen, Forshadowing, das man erst später als solches erkennt – wir lieben es.
Vor allem zum Ende hin gibt es außerdem einige unerwartete Wendungen, die die Handlung vorantreiben. Das war dann auch der Punkt, an dem sich doch ein gewisser Drang, weiterzulesen, entwickelt hat und so habe ich das letzte Drittel des Buches am Stück weggelesen, während ich für den Rest circa eine Woche gebraucht hatte. Macht Sinn …
Der Aspekt, der mich allerdings besonders begeistern konnte, ist die Art, wie Maggie Stiefvater diese Geschichte (be)schreibt. Zum einen entsteht so nämlich eine tolle, mystisch-geheimnisvolle Atmosphäre. (Daher stelle ich mir Wen der Rabe ruft auch als ein perfektes Buch für den Herbst vor. Solltet ihr also noch nach Empfehlungen für die kommenden Monate suchen: Bitte sehr.)
Zum anderen bin ich beim Lesen immer wieder auf Stellen gestoßen, die phantastisch geschrieben sind (und hierbei passen beide Bedeutungen des Wortes). Beispielsweise wird irgendwann eine Freundin von Blues Mutter (ebenfalls eine Wahrsagerin) beschrieben und das auf eine sehr besondere Weise. Diese Szene war die erste, bei der mir so richtig aufgefallen ist, wie schön die Autorin schreibt. Ab da gab es dann immer mehr Sätze und Passagen, die ein Post-It von mir verdienten …
Dabei ist das Ganze nicht ausgeschmückt, verschnörkelt, kompliziert, sondern fügt sich perfekt in die Geschichte ein. Es macht sie … stimmungsvoller.
Mein Fazit:
Wen der Rabe ruft ist ein Buch mit Schwachstellen, das mich aber mit jeder gelesenen Seite mehr gefesselt und letztendlich ganz klar einen Platz in meinem Leser*innen-Herz erhalten hat, besonders des Schreibstils wegen. Sollte es also für euch interessant klingen, dann kann ich das Buch nur empfehlen. Ich bewerte das Ganze mit vier Teetassen und freue mich auf den Rest der Reihe, um hoffentlich noch tiefer in die Geschichte von Blue und den Ravenboys einzutauchen.
Informationen zum Buch:
Titel: Wen der Rabe ruft
Originaltitel: The Raven Boys
Reihe: Raven Boys / Band 1
Autor*in: Maggie Stiefvater
Übersetzung: Jessika Komina und Sandra Knuffinke
Verlag: Knaur
ISBN: 3426528983
Preis: 12,50 €
Meine Altersempfehlung: ab 14 Jahre
Disclaimer:
Die Rechte am abgebildeten Buchcover liegen beim Verlag.
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