Hallo Bücherfreund*innen und Teeliebhaber*innen,
während ich eigentlich vor allem im Herbst und Winter sehr viel und gerne Fantasy lese, hat sich das dieses Jahr anscheinend um ein paar Monate nach vorne verschoben (oder ausgedehnt, wir werden sehen). So habe ich in letzter Zeit wieder große Lust bekommen, von Magie und fremden Welten zu lesen. Daher habe ich vor einigen Tagen zum ersten Band der Spiegelreisenden-Reihe, Die Verlobten des Winters, gegriffen. Wenn man bedenkt, dass das Ganze eine ziemlich winterlich-frostige Atmosphäre und einen dementsprechenden Schauplatz hat, dann mag die Zeit, zu der ich es gelesen habe, fast noch unpassender erscheinen. Aber hey, wozu liest man denn Bücher, wenn nicht, um der Realität zu entkommen. Und ganz ehrlich: Auf Sommer habe ich gerade wirklich keine Lust mehr.


Worum geht es?

Bisher bestand Ophelias Leben aus einem, wenn auch nicht unbedingt spannenden, so doch friedlichen Alltag auf der Arche Anima. Hier leitet sie ein Museum, verbringt viel Zeit mit ihrem Großonkel in dessen Archiv und setzt ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten als Leserin und Spiegelreisende ein, um das Ganze etwas interessanter werden zu lassen – bis die Nachricht eintrudelt: Ophelia soll verheiratet werden, und das nicht nur sehr bald, sondern ausgerechnet mit einem unfreundlichen Griesgram von einer weitentfernten Arche, dem Pol. Ophelia bleibt also trotz Protestes nichts anderes übrig, als sich auf den Weg in eine Welt zu machen, die nicht nur äußerlich weit kälter und gefährlicher ist, als sie es sich vorstellen kann.


Meine Meinung:

Ich habe dieses Buch aufgeschlagen und die ersten hundert Seiten praktisch in einem Rutsch verschlungen. Doch was das Ganze von Beginn an so packend gemacht hat, das ist definitiv nicht die Handlung. Die plätschert nämlich vor allem anfangs recht langsam dahin und obwohl natürlich Dinge passieren, folgt keineswegs Ereignis auf Ereignis, Schlag auf Schlag. Das lässt die Geschichte aber nicht öde oder langatmig erscheinen. Stattdessen wird den Leser*innen so nach und nach mehr von Ophelias Welt gezeigt und man wird stetig tiefer hineingesogen.

Zum einen entsteht auf diese Weise eine charakteristische Atmosphäre, eine Mischung aus Wärme und Wohligkeit, jedoch immerzu mit einer unbestimmten Vorahnung, bis das Ganze dann nach einiger Zeit in eine frostig-bedrohliche Stimmung umschlägt. Das erzeugt Spannung und den Wunsch, mehr über diese auch für Ophelia neue Welt zu erfahren, sich dort zurechtzufinden; löscht aber – zumindest für uns Leser*innen – ein gewisses behagliches Ambiente nicht gänzlich aus. Daher bin ich mir auch ziemlich sicher, dass Die Verlobten des Winters ein perfektes Buch für … nun, den Winter abgäbe. Vielleicht schaffe ich es ja, die Folgebände in den kalten Monaten zu lesen. (Weihnachtsferien, abends, eine Schale mit Plätzchen und eine Tasse warmer Tee, eine kuschelige Decke, flackernde Kerzen und diese Geschichte – ja, ich stelle mir das durchaus gemütlich vor.)

Besagte Stimmung erzeugt natürlich in erster Linie der Schreibstil. Wie gesagt erzählt Christelle Dabos sehr gemächlich und ohne Hast. Das regt umso mehr dazu an, sich für das Lesen wirklich Zeit zu nehmen und stundenlang durch das Buch zu blättern, vollkommen darin zu versinken.
Insbesondere die Worte, die die Autorin wählt, machen es dem*der Leser*in dabei leicht. Es sind Worte, die man kennt, die aber gefühlt noch nie jemand tatsächlich benutzt hat. Macht das Sinn? Jedenfalls verleiht das verleiht der Geschichte noch einmal etwas Eigenes und Magisches. Beschreibungen wie „hässlich wie Pfeffermühlen“ bleiben einfach im Kopf.

Die Figuren, die dieses Buch beherbergt, sind ebenso einzigartig. Es gibt nur wenige, die auf den ersten Blick tatsächlich sympathisch sind, allein dadurch, dass vor allem später in der Geschichte argwöhnisch auf so ziemlich jede*n geschaut wird und kaum noch jemand vertrauenswürdig erscheint. Denke ich nun darüber nach, so gibt es aber eine ganze Menge an Charakteren, die ich im Laufe der Handlung ins Herz geschlossen habe, angefangen natürlich bei Ophelia selbst (auch wenn sie leider recht not-like-other-girls-mäßig ist), über Roseline (so nervtötend sie auch sein kann) und einige andere, bis hin zu Ophelias Schal (fragt nicht, lest).
Sie alle haben ihre Eigenarten und Seiten, an die man sich erstmal gewöhnen muss. Allerdings spielen sie gerade deswegen für die Vollkommenheit und Originalität dieses Buches so eine große Rolle. Dabei sind nicht nur die netten und liebenswürdigen Charaktere gemeint, sondern ebenso diejenigen, auf die man als Leser*in geradezu einen Hass entwickelt und deren Namen jedes Mal eine gewisse Anspannung auslösen, wenn man ihn liest.

Trotz dieser zurecht sehr positiven Rezension gibt es auch einen Punkt, der mich beim Lesen gestört hat, und das ist die Welt, in der das Ganze stattfindet. Sie ist interessant und man möchte gerne mehr über sie erfahren – tut das aber leider nicht. Auf über 500 Seiten gibt es nicht viel mehr als einzelne Andeutungen über die Beschaffenheit der Erde, die anscheinend auseinandergerissen wurde (das ist kein Spoiler, das erfährt man bereits auf der ersten Seite). Doch wie kam es dazu und wie genau haben sich die Menschen damit arrangiert, was steckt hinter der ganzen Sache mit den Familiengeistern und woher kommen diese Kräfte eigentlich? Diese und einige weitere Fragen stelle ich mir auch nach dem Lesen noch und hoffe daher, dass es in den folgenden Bänden Erläuterungen dazu geben wird. Trotzdem: Selbst, wenn man nicht alles im ersten Teil auflösen will, wirken diese fehlenden Informationen hier eher so, als wären der Weltenaufbau und das Magiesystem nicht gänzlich ausgearbeitet.

Mein Fazit:

Die Verlobten des Winters ist ein magisch-fesselnder Auftakt der Spiegelreisenden-Saga und überzeugt mit Einzigartigkeit sowohl was die Charaktere als auch was den einnehmenden Erzählstil und die daraus resultierende Atmosphäre anbelangt. Wer Lust auf ein großartiges, allerdings nicht zwingend rasantes Fantasy-Abenteuer voller Intrigen und Geheimnisse hat, dem*der kann ich dieses Buch nur empfehlen. Ich vergebe vier Teetassen.


Informationen zum Buch:

Titel: Die Verlobten des Winters

Originaltitel: Les Fiancés de l’hiver

Reihe: Die Spiegelreisende / Band 1

Autor*in: Christelle Dabos

Übersetzung: Amelie Thoma

Verlag: Insel

ISBN: 9783458177920

Preis: 18,00 € (Hardcover), 12 € (Taschenbuch), 11,99 € (E-Book)

Meine Altersempfehlung: ab 14 Jahre


Disclaimer:

Die Rechte am abgebildeten Buchcover liegen beim Verlag.